Warum Streaming-Services erst mit der kritischen Masse ein solides Geschäftsmodell schaffen, der Long Tail sich trotzdem nicht verschiebt, und über den richtig smarten Zug von Spotify und Facebook.

Im Jänner heurigen Jahres habe ich bereits einmal dieses Thema aufgegriffen (siehe hier), mit dem Vermerk, dass es erst so richtig spannend wird, wenn kritische Massen erreicht werden und dann die Cloud- und Streamingservices so richtig durchstarten werden.

Spotify hat höchst erfolgreich in Skandinavien und anderen europäischen Ländern gestartet, im deutschsprachigen Raum will Simfy gerade dieses Segment besetzen. Das große Problem bei einem Streaming-Service ist allerdings: die Umsätze kommen erst mit der Masse. Das Freemium-Modell (Mischung aus Gratis-Nutzung und Abo) funktioniert nur bei einer entsprechenden Konsumentenkonzentration: das werbefinanzierte Modell wird erst dann für die Werbetreibenden interessant – und die Abokunden rechnen sich auch erst ab einer bestimmten Menge (und einem mit der Laufzeit abnehmendem Medienkonsum)

Nicht zuletzt verdienen auch die Contentlieferanten erst sinnvoll (= auch dem Künstler bleibt unterm Strich was übrig), wenn genug Menschen sich die jeweiligen Titel anhören. Dass diese Vergütungen pro Stream nicht allzuhoch sein können, muss jedem einleuchten, der überschlagsmäßig durchrechnet, was eine Werbeeinschaltung sinnvoll kosten kann um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusätzlich ist das Premium-Modell die konsumentengesteuerte Variante der Flatrate – für den Nutzer dasselbe Ergebnis als mit einer Kulturflatrate, für die Contentlieferanten ein Vorteil, da Popularitätsbezogen (= via Massenqualitätsanspruch) abgerechnet wird.

Auch bei der Erlösrealisation der Streaming-Services wird sich das gleiche Bild bieten wie bei den á la Carte Modellen: Der Long Tail bildet sich nach dem Pareto-Prinzip: 80% der Umsätze werden mit 20% des Contents generiert. Die populärsten Titel werden die meist gestreamten, geladenen und gekauften Titel sein – am Geschmack der Masse ändern auch die neuen Verbreitungsformen nichts (dies gilt übrigens auch für den Bereich illegale Downloads).

Streaming-Services sind also eine gute Sache, für den Konsumenten wie für die Produzenten – ersterer kann viel Content um wenig Geld konsumieren (und bei Bedarf natürlich kaufen), letzterer enthält eine Vergütung für eine Nutzung, die ansonsten vielleicht sowieso entstanden wäre bzw. werden seine Produkte erst jetzt viel häufiger genutzt.

Wie allerdings schon eingangs erwähnt, um befriedigende Umsätze generieren zu können und ein solides Geschäftsmodell zu entwickeln, braucht es eine Masse an Nutzern. Diese erhält man normalerweise durch eine mehr oder weniger große Kommunikationsleistung, sprich Werbemaßnahmen. Contentproduzenten und -vermarkter haben es hier natürlich ein wenig leichter: ihr Content wird gerne mittels Bartergeschäften von Medien hergenommen, um die Leserschaft zu binden und ihnen besondere Anreize zu bieten. So startete Spotify in Skandinavien, indem sie sich mit einer der größten Tageszeitungen zusammenschlossen und so den Markteintritt vollzogen.

Aktuell befindet sich Spotify in Verhandlungen mit Facebook (hier im Forbes-Blog nachzulesen) . Ziel ist eine Integration des Streaming-Services in die native Facebook-Umgebung via einem Spotify-Button. Was heißt das in der Praxis? Eine theoretische Reichweite von mehr als 596 Mio Facebook-Nutzern weltweit und somit eine irrsinnige Multiplikation der Reichweite auf einen Schlag. Zum Vergleich: die gesamte Europäische Union hat 501 Mio. Einwohner (vom Säugling bis zur Uroma).
Ein Zahlenüberblick dazu hier von Amodiovalerio Verde, übrigens folgen auch die Facebook Nutzer dem Pareto-Prinzip: Die Top-20 Länder vereinen 80% der Nutzer.  Bedenkt man nun aber, dass Spotify in den USA noch nicht gestartet ist (Einigung mit wichtigen Partnern steht noch aus), und allein dort knapp 249 Mio. (also fast die Hälfte) der Facebook Nutzer sitzt, wird der Markteintritt von Spotify in den USA wohl ein ausschlaggebendes Ereignis auf den Erfolg dieses und anderer Streaming-Services sein – der Streaming-Urknall sozusagen. Facebook wiederum vergrößert seine Service-Palette mit einem Musikservice – eine strategisch wichtige Entscheidung beim Ausbau der Marktführerschaft.

Spannende Zeiten – der Urknall der Streaming- und Cloudservices steht bevor und lässt wohl nicht mehr all zu lange auf sich warten.

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