Wieviel Österreich verträgt der ORF?“ betitelt der Kurier einen Artikel vom 01. August 2008. Hintergrund des Artikels ist die Forderung der Musikschaffenden und der Musikindustrie Österreichs nach einer höheren Quote von heimischen Produktionen im öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Laut AKM verlief ebendiese Quote in den letzten 18 Jahren massiv rückläufig.

Anteil heimischer Musik im ORF stark rückläufig
Anteil heimischer Musik im ORF stark rückläufig, Quelle: www.sos-musikland.at

Sieht man sich das Zugpferd des ORF, den nationalen Sender, das „Hitradio“ Ö3 an, staunt man nicht schlecht: nur 5,49%(!) des gesamten Musikprogrammes stammt von heimischen Produktionen. Eigentlich beängstigend für ein Land, dass sich mit Musik und Kultur rühmt.

Sieht man sich allerdings die Musiklandschaft in Österreich genauer an, zeigt sich eine äußerst diversifizierte und vielfältige Situation. Massenhaft kleine Labels, meist auch im Nischenbereich, versuchen so gut es geht sich gegen den internationalen Druck durchzusetzen und zu überleben.

Wobei Quotenregelungen nun nicht gerade das Gelbe vom Ei sein mögen, ist österreichische Musik wirklich so schlecht, um in den Medien etwas Annerkennung zu finden? Wollen die Österreicher womöglich gar keine heimische Musik hören?

Ö3 trat den Gegenbeweis zu SOS-Musikland an:

Die große Ö3-Hitwahl, so der Titel der Aktion, sollte die Lieblingssongs der Ö3-Hörer identifizieren. Laut eigenaussage haben „zehntausende Ö3-Hörer“ bei der Wahl nach dem Lieblingslied abgestimmt. Das Ergebnis (hier als PDF):

1. Bryan Adams – Summer Of ’69 (1983)
2. Queen – Bohemian Rhapsody  (1975)
3. Kid Rock – All Summer Long (2007)

dann auf Platz 6 der erste Österreicher:

6. Reinhard Fendrich – I am from Austria (1989)
gefolgt von
7. Christina Stürmer – Träume leben ewig (2008 )

Danach folgen nur mehr in sporadischen Abständen österreichische Beiträge.

Den Österreichern gefällt also gar keine heimische Musik? Zehntausende Hörer des größten Senders des Landes können doch nicht irren, oder?
Aber halt, die erste Frage wäre doch: wieviele Personen haben hier wirklich bei dieser Umfrage mitgemacht?
Dieser Zahl und einer schönen regionalen Verteilung kommt man hier auf die Spur: die Ö3-Hitwahl-Karte.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung waren es hier knapp 20.000 Votes. (siehe Screenshot). Außerdem konnten nur vorgegebene Lieder gewählt werden.

Gemessen an der Gesamtbevölkerung Österreichs ( 4.019.908 Personen zwischen 14 und 49 im Jahr 2001), hören in Österreich demnach in der Hauptzielgruppe  1.965.735 Personen Ö3, davon haben 1,02% bei der Hitwahl teilgenommen. (Berechnungsquellen: Statistik Austria 2001 bzw. Radiotest)

Die Ö3-Hitwahl repräsentiert demnach 1,02% der gesamten Ö3-Hörerschaft, womit die Aussagekraft dieser Umfrage wohl mehr als in Frage zu stellen ist. Natürlich, es handelt sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche, statistische Analyse, dennoch stellt sich die Gefahr der Wahrnehmung und Akzeptanz eines verzerrten Bildes der Realität.

Um nun zu unseren anfänglichen Überlegungen zurück zu kommen:
Selbst die Hörerschaft des größten Senders des Landes bezieht bei einem Feldversuch keine repräsentative Stellung. Musik aus heimischer Produktion kann also durchaus gewünscht sein, warum sollte man ihr also keine Chance geben? Würde ein Superstar wie Falco auch heute noch international Erfolg haben, wenn der Start im eigenen Land damals so schwierig gewesen wäre wie heute?

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